Who is Who – Eine Vorstellung queerer Persönlichkeiten

„Durch Wissen(schaft) zur Gerechtigkeit.“

Dieses Zitat ist von Magnus Hirschfeld, der unter anderem in diesem Artikel vorgestellt wird. Wir haben schon häufiger darüber geschrieben, wie machtvoll Wissen sein kann und ist. Durch Bildung kann so einiges bewegt werden. In diesem Artikel wollen wir dir ein paar wichtige Persönlichkeiten der queeren Community vorstellen. Dabei gehen wir vor allem auf historische Personen ein und beschreiben ihr Leben und Wirken. Wir hoffen, damit eine Sensibilisierung zu erreichen, wie queere Lebenswege damals wie heute aussehen können.

1. Audre Lorde

Als Dichterin, Autorin, Feministin, Lesbe, Schwarze, Mutter und Krebsüberlebende wurde Prof. Audre Geraldine Lorde beschrieben. 1934 wurde sie in New York im Frühling geboren. Schon früh in ihrem Leben widmete sie sich dem geschriebenen Wort und wurde als erste Schwarze Frau an einer begabten High School aufgenommen. Nach ihrem Master arbeitete sie als Bibliothekarin in New York. Privat beschäftigte sie sich intensiv mit Feminismus, Homosexualität sowie Rassismus und war in den jeweiligen Communities vertreten. Jedoch war sie aufgrund der Mehrfachdiskriminierung in keiner Gemeinschaft wirklich willkommen. Die Ungerechtigkeit, die die Mehrfachdiskriminierung hervorrief, verarbeitete sie in vielen verschiedenen Schriftstücken zum Beispiel mit ihrem Gedichtband The First Cities (1968), mit denen sie berühmt wurde. 1962 heiratete sie einen weißen, schwulen Mann und bekam zwei Kinder mit ihm. Sechs Jahre später endete die Ehe in einer Scheidung, da sie ihre spätere Lebenspartnerin Dr. Frances Louise Clayton, eine weiße, lesbische Psychologin kennenlernte. 1978 erkrankte Audre an Brustkrebs und musste sich einer Mastektomie unterziehen. Auch diese Erlebnisse verarbeitete sie in einem Buch namens „The Cancer Journals“. Mit diesen Erfahrungen richtete sie ihren politischen Fokus auch auf Ableismus (Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, indem Menschen an bestimmten Fähigkeiten – laufen, sehen, sozial interagieren – gemessen und auf ihre Beeinträchtigung reduziert werden). Audre Lorde vertrat die Meinung, dass verschiedene Dimensionen wie Sexualität, Geschlecht, Race und Gesundheit alle miteinander verwoben sind und leistete damit die Vorarbeit zum intersektionalen Feminismus. 1992 verlor sie den Kampf gegen Krebs. Sie hatte und hat einen großen Einfluss auf die afrodiasporische Bewegung und bleibt mit ihren Werken und Wirken bekannt.

2. Petra Gall

Petra Gall war in der Lesbenszene aktiv, die sich in den 1980er Jahren in der DDR formierte. Sie wollte der jahrzehntelangen Unsichtbarkeit lesbischen Lebens ein Ende setzen und pflegte Kontakte auch in die westdeutsche Lesbenszene. Die Berliner Fotografin wurde 1955 im Saarland geboren und zog nach ihrem Geschichts-, Politik- und Slavistikstudium nach West-Berlin. In den 80er und 90er Jahren fotografierte Petra vor allem die Berliner Frauen*- und Lesbenszene. Aber auch Musik- und Reisefotografien gehörten zu ihrem Repertoire. Ihr Interesse für Ostdeutschland sowie Osteuropa stillte die Künstlerin mit ihren Motorrad-Reisen, auf denen sie unter anderem Berlin, Sankt Petersburg und Moskau bereiste. Dabei fotografierte sie zum Beispiel den ersten CSD in Sankt Petersburg. Petra Gall brachte einen Lesbenkalender 1982 und 1983 heraus, die „ATROPiN-Frauen-foto-zeitung“ und einen Motorradreiseführer für Ostdeutschland. Nach langer Krankheit verstarb die Künstlerin und Aktivistin 2018. Mit ihrer Arbeit sorge sie für Sichtbarkeit und eine Erinnerung lesbischer Kultur.

3. Angie Xtravaganza

In einer Zeit, in der AIDS, Gewalt, Armut und Queerfeindlichkeit an der Tagesordnung waren, strahlte Angie Xtravaganza Entschlossenheit und Ruhe aus. Sie wuchs bis zu ihrem 13. Lebensjahr in der Bronx in New York auf, bis sie aufgrund von häuslicher Gewalt davonlief. Bei der Geburt wurde ihr das männliche* Geschlecht zugeordnet, doch sie identifizierte sich als Frau. Mit ihren jungen Jahren ernährte sie ihre Wahlfamilie und wurde stets von allen „Ma“ (Mutter) genannt. Ihre „Kinder“ waren so wie sie entweder von Zuhause weggelaufen oder wurden aufgrund ihrer Identität ausgestoßen. Mit 16 Jahren ging Angie auf die ersten Bälle und erprobte sich im Drag. 1982 gründete sie dann das Haus Xtravaganza und übernahm die Rolle der Hausmutter. In der Ballroom Scene war dieses Haus das erste, das hauptsächlich lateinamerikanische Familienmitglieder hatte. Damit wurde auf Rassismus in der Szene aufmerksam gemacht und lateinamerikanische Personen waren dank ihres Einsatzes Teil des Ballrooms. Angie Xtravaganza zählt noch heute zu den wichtigsten Persönlichkeiten der Ballroom Scene. Ihr ikonischer Satz: „Don’t let the dress fool you!” (Lass dich von den Kleidern nicht täuschen!) beschreibt ihre Käpfer:innennatur und ihren Stil. Populär wurde sie durch den Dokumentarfilm Paris is Burning 1990. Mit nur 28 Jahren verstarb sie an einer AIDS-bedingten Lebererkrankung. Doch ihr gegründetes Haus ist weiterhin ein aktiver Teil der New Yorker Kultur.

4. Brenda Howard

Die „Mutter des Prides“ wurde Brenda Howard oft genannt. Aufgewachsen in den 1940er Jahren in der Bronx, interessierte sie sich in den 60er Jahren für die Friedensbewegung gegen den Vietnamkrieg. Daraufhin folgte ihr Engagement in der Frauen*bewegung und für die Rechte von Homosexuellen. Ihren Titel „Mother of Pride“ erhielt sie aus zwei Gründen: Zum einen prägte sie den Begriff Pride für die LQBTQIA+ Community, zum anderen koordinierte sie den ersten „Christopher Street Liberation Day March“ zum Gedenken an den ersten Jahrestag des Stonewall-Aufstands und damit verbunden die verschiedenen Kundgebungen. Sie hatte die Idee, eine einwöchige Veranstaltungsreihe rund um Pride zu arrangieren und daraus entstand der weltweit bekannte Pride Month. Brenda trat für die Recht der queeren Community ein und war in verschiedenen Aktivisten:innengruppen vertreten. 2005 starb Howard an Darmkrebs während der Pride Week am 28. Juni. Ihre Ideen und ihr Einsatz ist es zu verdanken, dass die Stonewallriots in positiver Weise Gedächtnis geblieben sind.

5. Frida Kahlo

Eine der berühmtesten Künstlerinnen ist Frida Kahlo. Geboren wurde sie 1907 in Mexiko. Ihre Eltern waren ebenso Künstler:innen und bekamen neben Frida noch drei weitere Töchter. Frida Kahlos Leben war geprägt von ihren Erkrankungen, so wurde bei ihr unter anderem eine Fehlbildung der Wirbelsäule diagnostiziert. Eine Folge dessen war ein kürzeres und dünneres Bein. 1922 begann Frida mit ihrem Medizinstudium an der renommierten Escuela Nacional Preparatoria in Mexiko und war dort eine der ersten Frauen*. Später im Jahre 1925 erlitt sie einen schweren Busunfall, der in lebenslangen Schmerzen und Krankenhausaufenthalten mündete. Ihr Studium musste sie deshalb abbrechen und widmete sich fortan intensiv der Kunst. In den folgenden Jahren entstanden zahlreiche Selbstbildnisse, in denen sie ihren emotionalen und körperlichen Zustand reflektierte. Doch war sie auch politisch aktiv und trat mit Mitte zwanzig der kommunistischen Partei bei. Zwar ging Frida Kahlo eine Ehe mit Diego Rivera ein, doch gegen Ende der Ehe besaß sie mehre Liebhaber:innen. In ihren Gemälden wurden nicht nur die Liebschaften mit Männern* und Frauen* sichtbar, sondern auch das Spielen mit Geschlechterstereotypen. So zog Frida nicht nur Frauen* Kleidung an, sondern betrieb „Cross-Dressing“, vermischte also weiblich* sowie männlich* klassifizierte Kleidung. Frida Kahlo wurde nur 47 Jahre alt und starb vermutlich an einer Lungenembolie in ihrem Haus. Sie als mexikanische Künstlerin, als weibliche* Künstlerin oder gar als queere Künstlerin zu bezeichnen wird ihrer nicht gerecht – sie verbrachte ihr Leben damit, mit Ideen von Identität zu spielen und die ihr zugeschriebenen Etiketten abzulehnen.

6. Harvey Milk

Den Namen Harvey Milk könntest du schon aus unserem Artikel „Viele bunte Farben – das Kurzportrait der Pride-Flaggen“ kennen. Er war der erste geoutete Politiker, der in den Vereinigten Staaten in ein Amt gewählt wurde. 1930 geboren, wuchs er in einer jüdischen Familie in New York auf. Harvey wechselte zwischen verschiedenen Berufen und öffnete schlussendlich mit seinem damaligen Partner Scott Smith ein einen Laden für Kameras in San Francisco. Unzufrieden mit der Politik beschloss Milk selbst für das Amt des Stadtrats zu kandidieren. Nach dem dritten Versuch wurde Harvey Milk gewählt und arbeitete eng mit dem Bürgermeister George Moscone zusammen. Harvey setzte sich vor allem für die Rechte von Homosexuellen ein. Harvey Milk vertrat die Ansicht, dass die Regierung die Interessen des Einzelnen und nicht nur die Interessen der Stadt vertreten und die Gleichheit aller Bürger sicherstellen sollte, während sie gleichzeitig die erforderlichen Dienstleistungen bereitstellt. Nach nur 10 Monaten im Amt wurden Milk und Moscone von ihrem Mitstreiter Dan With ermordet. San Francisco war erschüttert und die ganze Stadt trauerte. Der Mörder erhielt jedoch nur sieben Jahre Gefängnisstrafe, da sein Anwalt auf verminderte Zurechnungsfähigkeit plädierte.

7. Billie Jean King

Die weltberühmte Tennisspielerin Billie Jean King wuchs 1943 in Kalifornien auf und erlernte den Sport schon früh als junges Mädchen. Schon in ihren Teenagerjahren entwickelte sie ein Gespür für Ungerechtigkeit und setzte sich für Gleichberechtigung im Sport ein. Sie war eine Spitzenreiterin im Tennissport, doch die größte Aufmerksamkeit erhielt sie, als der ehemalige Weltmeister Bobby Riggs behauptete, Frauen*tennis sei minderwertig und er könne jede Spielerin leicht schlagen. King nahm daraufhin die Herausforderung an und besiegte Bobby Riggs 1973 in einem vielbeachteten Match, das als „Kampf der Geschlechter” bezeichnet wurde, und setzte damit ein starkes Zeichen. Auch im weiteren Verlauf ihrer Karriere waren Feminismus und Bürgerrechte wichtige Anliegen für Billie Jean. 1981 wurde sie von ihrer ehemaligen Sekretärin und Geliebten in einem Gerichtsverfahren geoutet. Es dauerte lange bis sich King öffentlich über ihre Homosexualität äußern konnte, doch heute spricht sie offen darüber und ist eine starke Verfechterin der LGBTQIA+ Rechte.

8. Hilde Radusch

Trotz oder gerade wegen ihrer konservativen Erziehung war Hilde Radusch eine höchst politische Frau. Hildegard Auguste Adelaide Marie Radusch wurde 1903 in Stettin geboren. In dem bürgerlich konservativen Haushalt ihrer Eltern erlebte sie den Anfang des ersten Weltkrieges. Mit der Rolle als Haus- und Ehefrau konnte Hilde sich nie anfreunden, eher für geistige Herausforderungen, Kunst, Philosophie und Religion. Überhaupt fühlte sie sich nie als Frau*, „aber frag mich nicht als was sonst“, wie sie es in späteren Jahren über sich selbst sagte würde. In Berlin nahm sie eine Stelle als Telefonistin an und war dort im Betriebsrat sehr erfolgreich. In dem Unternehmen lernte sie ihre erste Partnerin kennen und lieben. Politisch engagierte sie sich in der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Die erste Frauen*bewegung beobachtete sie interessiert, nahm jedoch nicht aktiv daran teil. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialist:innen wurde Hilde Radusch am 6. April 1933 für sechs Monate in Schutzhaft genommen aufgrund ihrer politischen Karriere in der kommunistischen Partei. Nachdem sie wieder frei gelassen wurde, trennte sie sich einvernehmlich von ihrer ersten Partnerin, um sich beide zu schützen. 1939 lernte Hilde ihre Nachbarin Else Klopsch, auch Eddy genannt, kennen. Die beiden Frauen verliebten sich und wurden lebenslange Partnerinnen. In der selbst gegründeten Lothringer Küche unterstützten die beiden Frauen mit Essensspenden Verfolgte in Berlin. Aufgrund der ständigen Überwachung und ihrem halb illegalen Mittagstisch bauten sich die beiden im Sommer 1943 eine Laube im Berliner Umland als geheimen zweiten Wohnsitz. 1944 erfolgte eine Verhaftungswelle und alle in Freiheit befundene Funktionär:innen von SPD, Zentrumspartei und KPD wurden festgenommen. Hilde und Eddy konnten sich dank einer Warnung in ihren Unterschlupf retten. Ohne die lebenswichtigen Lebensmittelkarten verhungerten die beiden fast. Hilde verarbeitete die Erlebnisse in einem Kriegstagebuch, das noch heute zu einem der wichtigsten Zeitdokumentationen zählt. Nach dem Kriegsende beteiligte sich das Paar trotz ihrer schlechten Verfassung sofort am Wiederaufbau Deutschlands. Durch die Hungerjahre konnten die beiden nur noch kurzfristigen Beschäftigungen nachgehen, da sie mit Folgeerkrankungen zu kämpfen hatten. Eddy starb 1960. Hilde beschäftigte sich intensiv mit der neuen Frauen*bewegung und tauschte sich mit den jüngeren Frauen* aus. Hilde Radusch brachte mit Hilfe einiger Freund:innen die erste Zeitschrift für gleichgeschlechtlich liebende Frauen* „UKZ – Unsere kleine Zeitung“ heraus. Bis zu ihrem Tod 1994 war Hilde Radusch eine treibende Kraft der Lesben- und Frauen*bewegung.

9. Leslie Cheung

Leslie Cheung war einer der berühmtesten Pop Stars Hong Kongs und über sein Leben wird heute noch viel spekuliert. Bevor Leslie sein coming out hatte, wurden viele Vermutungen über seine Sexualität angestellt. Als er sich schlussendlich als bisexuell outet, wurde das häufig ignoriert und er als gleichgeschlechtlich liebend kategorisiert. 1956 in Hong Kong geboren, hatte er eine schwierige Kindheit. Mit 12 Jahren wurde er von seinen Eltern nach England geschickt und entschied sich dort für den geschlechtsneutralen Namen Leslie. Wegen einer Erkrankung seines Vaters kehrte er nach Hong Kong zurück. 1977 nahm Leslie Cheung an einem Musikwettbewerb teil und erreichte den zweiten Platz. Seinen Durchbruch hatte der Künstler aber erst 1982. Seine Single „Monica“ war die meistverkaufte in der Geschichte Hong Kongs. Nach diesem musikalischen Erfolg widmete er sich der Welt des Films und wurde auch dort erfolgreich. Leslie identifizierte sich stark androgyn und trug häufig Kleider, die mit verschiedenen Geschlechtern assoziiert werden konnten. Das traditionelle Männlichkeits*bild lehnte er ab und es gibt bis heute keinen eindeutigen Hinweis auf seine Geschlechtsidentität. Als einer der ersten queeren Schauspieler:innen Hong Kongs wurden seine Werke häufig nicht gezeigt und stark kritisiert. 2003 starb Cheung mit 46 Jahren durch einen Selbstmord aufgrund seiner lebenslangen Depression. Nach seinem Ableben wurde er mehrfach gewürdigt und blieb im Gedächtnis der Öffentlichkeit.

10. Sylvia Rivera

Die amerikanische Aktivistin und Kämpferin der Stonewall Riots Sylvia Rivera wurde 1951 geboren und bekam das männliche* Geschlecht zugewiesen. Als Tochter puerto-ricanischer und venezolanischer Eltern in New York war sie bereits im Alter von drei Jahren Vollwaise und lebte mit elf Jahren auf den Straßen. Schon früh spielte sie mit Geschlechtsidentitäten Geschlechtsidentitäten, zog Kleider an und schminkte sich. Auf den Straßen New Yorks sicherte sie sich mit Kinderprostitution ihr Überleben. Gerettet wurde Sylvia von Drag Queens unter anderem ihre späteren guten Freundin Marsha P. Johnson. Sylvia identifizierte sich schnell ebenso als Drag Queen und später als transgender, jedoch lehnte sie Labels ab. Für die Rechte von marginalisierten Gruppen setzte sich Sylvia Rivera ein, v.a. für die Rechte von BIPoC, Frauen* und für die Friedensbewegung. Ihr Herzensthema blieb jedoch die Rechte von trans* Personen. Mit 17 Jahren war sie bei den Stonewall Riots an vorderster Front. Somit war sie eine der treibenden Kräfte hinter der Befreiung Homosexueller. Im Zuge der Gründung der Gay Liberation Front gründete Rivera 1970 zusammen mit Marsha P. Johnson die Gruppe STAR (Street Transvestite Action Revolutionaries), die sich für die Unterstützung und Stärkung von schwulen, transsexuellen und nonbinären Jugendlichen einsetzte. Nachdem gleichgeschlechtlich Liebende die ersten Erfolge erzielten, wurde Sylvia aufgrund ihrer Geschlechtsidentität von der Community ausgeschlossen/verstoßen. Frustriert vom Verhalten der queeren Community kehrte sie dem Aktivismus 20 Jahre den Rücken zu. Mitte der 1990er Jahre kämpfte sie wieder für die Ehe gleichgeschlechtlich Liebender und die Zulassung von LGBTQIA+ Personen in die Armee. 2002 starb die Ikone an Leberkrebs in New York.

11. Magnus Hirschfeld

Als Sohn einer jüdischen Familie 1868 im heutigen Polen geboren, studierte Hirschfeld Medizin und promovierte in Berlin. Der Arzt und Sexualwissenschaftler setzte sich schon früh für die Rechte gleichgeschlechtlich Liebender und trans* Personen ein. 1897 gründete er das wissenschaftlich-humanitäre Komitee; die erste Organisation, die sich für die Rechte gleichgeschlechtlich Liebender einsetzte und für die Aufhebung des Paragraphen 175. Im Jahr 1919 eröffnete Magnus das Institut für Sexualforschung, das zum weltweiten Zentrum für Sexual- und Geschlechterforschung werden sollte. Dort wurde ein breites Beratungsangebot bereitgestellt, sowie an und mit Personen verschiedener sexueller und geschlechtlicher Orientierungen geforscht. Durch die Nationalsozialist:innen wurde das Zentrum geplündert und zerstört. Magnus selbst verließ Deutschland und blieb Zeit seines Lebens in anderen Ländern. Sein Engagement für die LGBTQIA* Community belief sich in diesen Jahren auf diverse wissenschaftliche Abhandlungen. 1935 starb Magnus Hirschfeld unerwarteter weise.

12. Lili Elbe

Lili Elbe oder Lili Elvenes war die erste trans* Frau, die sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzog. 1882 in Dänemark geboren, wurde die Malerin bei der Geburt dem männlichen* Geschlecht zugeordnet. Schon als Kind wurde Lili oft aufgrund ihrer langen Locken und ihrem schmächtigen Aussehen für ein Mädchen gehalten. Mit 19 Jahren konnte Lili Elbe nach ihrem Gymnasialabschluss an der Königlich Dänischen Kunstakademie studieren. Dort lernte sie auch ihre Frau Gerda kennen und die beiden heirateten kurz nach dem ersten Treffen. Die beiden reisten viel zusammen und schon in den frühen Bildern von Gerda ließ sich Lili wiederfinden. Einige Jahre vor ihrer Operation nahm Lili diesen Vornamen an. Der Nachname Elbe kam bei ihrer ersten geschlechtsangleichenden Operation hinzu, um sie immer an Dresden, den Ort zu erinnern, an dem ihr ein neues Leben geschenkt wurde. Im Institut für Sexualforschung von Magnus Hirschfeld wurde die erste, vorbereitende Operation 1930 an Lili Elbe durchgeführt. 21 Tage später wurde dann in der Frauen*klinik Dresden die zweite, geschlechtsangleichende OP ausgeführt. Nach einiger Zeit im Freundes- und Bekanntenkreis beschloss Lili Elbe die letzte Operation durchführen zu lassen. Die geplante Gebärmutter Transplantation verlief nicht gut und so verstarb sie 1931 in der Frauen*klinik Dresden, wobei die genaue Todesursache nicht vollständig geklärt werden konnte. The Danish Girl” verfilmt. Nach der erneuten medialen Aufmerksamkeit wurde ihr Grab auf dem Dresdner Trinitatisfriedhof mit einem rekonstruierten Grabstein geehrt.

13. Gilbert Baker

Der politische Aktivist, Designer und Flaggenmacher Gilbert Baker schuf 1978 die Regenbogenflagge. In den folgenden Jahren wurde seine Kreation weltweit als universelles Symbol der LBGTQIA+ – Bewegung anerkannt. In unserem Blogartikel „Viele bunte Farben – das Kurzportrait der Pride-Flaggen“ kannst du die genaueren Hintergründe seines Kunstwerks sowie die Entwicklung der Flaggen bis heute nachlesen. Aufgewachsen und 1951 geboren ist Gilbert im den konservativen Bundesstaat Kansas. Schon früh begeisterte er sich für Kunst und Mode, eckte damit aber bei seinen Mitmenschen schnell an. In der US-Armee war er massiv mit Homophobie konfrontiert. Als er dann als Sanitäter in San Francisco stationiert wurde, blühte er in der Kultur auf. Dank der Post-Stonewall-Ära konnte er als gleichgeschlechtlich liebender Mann offen leben. Mit seinem künstlerischen Können setzte er sich in den Antikriegs und pro-gleichgeschlechtlich Liebenden Märschen ein. Er entwarf verschiedene Banner und Flaggen. Seinen Durchbruch hatte er aber mit der weltberühmten Regenbogenflagge, die er im Auftrag von Harvey Milk anfertigte. Die Flagge sollte das neue Symbol für die Lesben und Schwulen Bewegung werden. Anschließend erhielt er mehrere Aufträge und seine Popularität stieg stetig. Er war auf verschiedenen Kundgebungen und Märschen aktiv, sprach mit Politiker:innen und setzte sich für marginalisierte Gruppen ein. 2017 verstarb Gilbert Baker im Schlaf zuhause. Die Weigerung das Muster der Flagge zu schützen bietet heute den Menschen die Chance das Design weiter zu nutzen und für die ganze Community zu öffnen.

14. Marsha P. Johnson

Die „Queen Mother“ Marsha P. Johnson wurde 1945 in New Jersey geboren. Nach ihrem High School Abschluss ging sie jedoch 1966 nach New York, wo sie erstmals offen queer sein konnte. Trotz häufiger Obdachlosigkeit, dem Dasein als Sexarbeiterin und den damit verbunden Anfeindungen, war sie bekannt für ihre aufgeschlossene, überschwängliche Persönlichkeit und wurde so eine bekannte Größe unter den Drag Queens und trans* Frauen in der Christopher Street. Bei den Stonewall Riots war sie an vorderster Front und der Mythos, sie hätte das Glas geschmissen, das die Unruhen auslöste, kursiert bis heute. Mehr zur Geschichte der Stonewall Riots kannst du hier lesen.  Nach Stonewall gründeten Johnson und ihre enge Freundin Sylvia Rivera die Street Transvestite Action Revolutionaries (STAR). STAR war eine Gruppe für obdachlose, schwule, nonbinäre und transgeschlechtliche Jugendliche of color, denen sie eine Wohnung zur Verfügung stellten, in der sie zusammenwohnten. Damit ihre „Kinder“ nicht selbst auf die Straße mussten, um dort mit Sexarbeit ihr Geld zu verdienen, machten Sylvia und Marsha das und finanzierten so ihre selbsternannte Familie. Marsha kämpfte ihr ganzes Leben lang für LGBTQIA+ -Rechte und trat später ACT UP (AIDS Coalition to Unleash Power „AIDS-Koalition, um Kraft zu entfesseln“) bei, um sich für Menschen mit AIDS einzusetzen. ACT UP ist ein Interessenverband mit dem Ziel durch öffentliche Aktionen (z.B. Proteste, Sitzblockaden, Bereitstellung von Bildmaterial, …) das Thema AIDS in die Medien und somit in der Politik zu bringen. 1992 mit 46 Jahren wurde ihre Leiche im Hudson River gefunden. Die Polizei hielt es für Selbstmord und weigerte sich, den Tod weiter zu untersuchen, trotz Augenzeugen, deren Berichte auf einen Mord hinweisen. Fast über 20 Jahre nach ihrem Tod erhält sie die Anerkennung der Öffentlichkeit. So erhielt sie 2019 ein Denkmal oder wurde als Großmarschall des New Yorker Pride Marsches geehrt.

15. Frieda Belifante

Die niederländische Cellistin, Dirigentin und Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus wurde 1904 in eine sehr musikalische Familie hineingeboren. Mit 17 Jahren nahm sie verschiedene leitende Positionen in der Welt der Musik ein. 1937 war Frida Belifante für sechs Jahre mit einem Mann verheiratet, erklärte aber von Anfang an, dass sie lesbisch sei. Zwar kümmerte sie die Meinung der Öffentlichkeit bezüglich ihrer Sexualität nicht, doch schützte sie sich vor den öffentlichen Ausgrenzungen, indem sie ihre gleichgeschlechtlichen Beziehungen möglichst geheim hielt. Sie war die erste Frau Europas, die ein professionelles Orchester dirigierte. Auch nach diesem Arrangement war sie sehr erfolgreich mit ihrer Musikkarriere. Erst mit dem Nationalsozialismus wurde ihre Arbeit unterbrochen. Sie schloss sich früh der Widerstandsbewegung an und erstellte gefälschte Dokumente für niederländische Juden und Jüdinnen. Um die Nationalsozialist:innen daran zu hindern, die gefälschten Dokumente mit öffentlichen Aufzeichnungen abzugleichen, bombardierte sie das Einwohner:innenmeldeamt in Amsterdam mit ihrer Widerstandsgruppe. Dabei wurden 800.000 jüdische und nicht-jüdische Personalausweise vernichtet. Die einzelnen Mitglieder der Gruppe wurden anschließend verhaftet und hingerichtet. Belifante verkleidete sich in den folgenden drei Monaten als Mann*, um nicht entdeckt zu werden. Sie floh zu Fuß in die Schweiz und kehrte erst nach dem Krieg in ihre Heimat zurück. Im Sommer 1947 ging sie in die Vereinigten Staaten. Sie ließ sich in Kalifornien nieder, wo sie schnell zu einer gefragten Cellistin und Musiklehrerin wurde. Sie unterrichtete an ihrer selbst gegründeten Schule noch bis in ihr hohes Alter. Frieda Belinfante starb am 5. März 1995 im Alter von 90 Jahren an Krebs.

16. Klaus und Erika Mann

Erika wurde 1905, Klaus ein Jahr darauf geboren. Die beiden Kinder des berühmten deutschen Schriftstellers Thomas Mann schrieben ebenfalls mit großer Begeisterung. Wie sein Vater war auch Klaus homosexuell und Erika bisexuell, lebten aber ihre Sexualität im Gegensatz zu Thomas Mann offen aus. Aufgrund ihrer linkspolitischen Einstellung und antifaschistischen Engagements wurden Klaus und Erika Mann von den Nationalsozialist:innen die Staatsbürger:innenschaft 1935 und 1937 entzogen. Zum Glück waren die beiden zu diesem Zeitpunkt außerhalb Deutschlands. Die Geschwister publizierten mit anderen die antifaschistische Literaturzeitung „Die Sammlung“. 1938 zogen sie nach Spanien, um über den Bürgerkrieg zu berichten und veröffentlichten mehrere antifaschistische Bücher. In den USA klärten die Manns über die Verbrechen des Nationalsozialismus auf. Doch waren die Geschwister dort aufgrund des brutalen Antikommunismus und der Homosexuellenfeindlichkeit ständiger Überwachung des FBI ausgesetzt. Klaus Mann erlag seinen Depressionen 1949. Erika verkraftete den Tod ihres Bruders nicht, zog sich aus der Politik zurück und kümmerte sich fortan um ihren Vater bis sie 1969 verstarb.

17. Josefine Baker

Josefine Baker wurde als Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin in Frankreich zum Star. Geboren und aufgewachsen ist die Schwarze Aktivistin in den USA in ärmlichen Verhältnissen. Um Geld für Essen zu haben, tanzte sie an Straßenecken und erhielt so ihren ersten Job im Varieté mit 15 Jahren. Mit 19 Jahren reiste sie nach Paris und wurde mit ihrem Rock aus Bananen und ihren lasziven Tänzen sofort erfolgreich. In Frankreich wurde sie verehrt und akzeptiert. Sie fühlte sich in ihrer Wahlheimat deutlich wohler als in den USA. 1937 nahm sie dann die französische Staatsbürger:innenschaft an und wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ausbrach zur Spionin für die französische Regierung. Mit ihrem Charme sammelte sie auf Partys Informationen von deutschen Beamten. Nach dem Krieg beschäftigte sich Baker intensiv mit dem Aktivismus, unter anderem in der Bürgerrechtsbewegung in den USA. Sie verfasste einige Artikel über Rassismus und hielt auch Vorträge zu dem Thema. Ihre 12 Kinder nannte sie den „Regenbogenstamm“, da Josefine sie auf der ganzen Welt adoptiert hatte. Ein Novum in dieser Zeit: eine Schwarze Frau die weiße Kinder adoptierte. Abgesehen von ihren vier Ehen, durchzog ihr Leben eine Reihe von Affären mit Frauen, darunter Frida Kahlo – obwohl sie diese Beziehungen geheim hielt. Ein paar Tage nach ihrem 50ten Geburtstag verstarb die Ikone.

Dies war nur ein kleiner Überblick an historischen Persönlichkeiten der queeren Community. Dank dieser Vorreiter:innen wurde viel erreicht und die heutige queere Community geprägt. Sie haben Prozesse in Gang gesetzt von denen heute noch profitiert wird. Es war uns wichtig zu zeigen, dass wir alle grundlegend anders sind, aber wir trotz und gerade wegen der Unterschiede gemeinsam für eine Sache, für die queere Gemeinschaft einstehen können. Und es geht um die Menschen, die Erfahrungen vor uns gemacht haben, die eine Gesellschaft beeinflusst haben, von der sie wussten, dass sie nicht zu ihr gehörten.
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Quellen:
www.queerportraits.com/about
www.mh-stiftung.de/biografien/
www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/audre-lorde/
www.queernations.de/queer-screening-audre-lorde-rueckblick/
www.nat.museum-digital.de/collection/4913?navlang=de#:~:text=Die%20Berliner%20Fotografin%20Petra%20Gall,Inhalt%20ihrer%20Arbeit%20zu%20machen.
www.ferialkarrasch.com/2021/04/02/die-fotografin-petra-gall-ein-gesprach-mit-michael-bucher-vom-schwulen-museum/
www.granvarones.com/angie-xtravaganza/
www.advocate.com/bisexuality/2014/06/17/remembering-brenda-ode-%E2%80%98mother-pride%E2%80%99
www.legacyprojectchicago.org/person/brenda-howard
www.them.us/story/brenda-howard
www.artinwords.de/frida-kahlo/frida-kahlo-biografie/
www.queerbible.com/queerbible/2017/5/2/frida-kahlo
www.milkfoundation.org/about/harvey-milk-biography/
www.de-academic.com/dic.nsf/dewiki/171963
www.queer.de/detail.php?article_id=32389
www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/hilde-radusch
www.mh-stiftung.de/biografien/hilde-radusch/
www.boell.de/de/2014/07/14/hilde-radusch-ein-kleinod-der-frauen-lesbengeschicht
www.biography.com/activist/sylvia-rivera
www.womenshistory.org/education-resources/biographies/sylvia-rivera
www.legacyprojectchicago.org/person/sylvia-rivera
www.mdr.de/geschichte/weitere-epochen/zwanzigstes-jahrhundert/medizingeschichte-geschlechtsangleichung-operation-frauenklinik-dresden-lili-elbe-100.html
www.gilbertbaker.com/biography/https://www.biography.com/news/marsha-p-johnson-quotes
www.queere.studierende-kassel.de/marsha-p-johnson/
www.resources.huygens.knaw.nl/vrouwenlexicon/lemmata/data/BelinfanteFrieda
www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/erika-und-klaus-mann-als-reiseschriftsteller-jenseits-vom-baedeker/13668850.html
www.belltower.news/queerer-widerstand-klaus-und-erika-mann-118447/
www.artinwords.de/josephine-baker/
www.afropunk.com/2019/06/josephine-baker/

Bild:
www.pexels.com