Our Bodies, our Lives, our Rights – 17.05. IDAHOBIT

Anmerkung: Im Laufe dieses Artikels wird nur noch von Homo-, Bi-, Inter*- und Trans* feindlichkeit geschrieben, da wir sichtbar machen möchten, dass es sich nicht um eine Angststörung handelt, wie das Wort „Phobie“ suggeriert, sondern um Ablehnung, Unsicherheit, Feindseligkeit oder sogar Ekel.

Wir feiern Genderdiversität!

Am 17. Mai 1990 wurde offiziell Homosexualität von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von der Liste der psychischen Krankheiten gestrichen. 17 Jahre später rief die Europäische Union den internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter*- und Trans* feindlichkeit (IDAHOBIT) aus, jedoch wurde der Feiertag auch schon vorher seit ca. 2004 zelebriert. Der Tag dient vor allem der medialen und politischen Aufmerksamkeit hinsichtlich Gewalt und Diskriminierung von Menschen mit unterschiedlichen Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten bzw. -expressionen. 130 Länder feiern ihn, davon 37 Länder in denen gleichgeschlechtliche Handlungen illegal sind. In Nigeria zum Beispiel wird in manchen Staaten die Teilnahme oder die Organisation von gleichgeschlechtlichen Ehen mit 10 Jahren Haft bestraft. Ebenso wird das Demonstrieren für Rechte Homosexueller sowie das öffentliche Zeigen von Zuneigung zwischen Personen gleichen Geschlechts kriminalisiert.
Bis 1994 waren nicht heterosexuelle Liebe und Sexualpraktiken in Deutschland illegal und wurden mit einer Gefängnisstrafe geahndet. (Vermeintlich) homosexuelle Männer* wurden auf Basis des §175 des Strafgesetzbuches kriminalisiert, der bereits im deutschen Kaiserreich verabschiedet und während des Nationalsozialismus in den 1930er Jahren massiv verschärft wurde. Queere Menschen wurden im Nationalsozialismus verfolgt, in Konzentrationslager deportiert und ermordet. Erst ab 1969 wurde der Paragraph 175 für bestimmte Altersgruppen gelockert, insbesondere in der DDR. Damit ist Deutschland eines der letzten westeuropäischen Länder, das eine LGBTQIA+ freundlichere Gesetzgebung eingeführt hat.
Deshalb ist der 17.05. so wichtig! Wir müssen uns an die Geschichte erinnern und Zukunftsperspektiven entwickeln, die gewalt- und diskriminierungsfrei sind. Laut werden und auf Missstände aufmerksam machen, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gerechtigkeit. Damit wir aber gezielt Vorurteile und Hass abbauen können, sollten wir erst einmal verstehen, wie LGBTQIA+ Feindlichkeit überhaupt entsteht und was Hetero- und Cisnormativität bedeuten.

Wie entsteht LGBTQIA+ – Feindlichkeit?

Sexismus und LGBTQIA+ – Feindlichkeit hängen eng miteinander zusammen. Wer Frauen* abwertet und diskriminiert, tut dies mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auch lesbischen, schwulen sowie Menschen, die sich einer anderen oder gar keinen geschlechtlichen Identität zuordnen, gegenüber. Ebenso sind Anfeindungen hinsichtlich LGBTQIA+ Personen häufig verschränkt mit einem stereotypen und binären Geschlechterbild, das eine Abwertung von Weiblichkeit* zur Folge hat.
Unter Sexismus wird in diesem Kontext zum einen die Abwertung von Frauen*/Weiblichkeit* verstanden und zum anderen ein System, das die Eigenschaften, Körper und Sexualitäten von Frauen* und Männern* sehr eng und als sich gegenseitig ausschließend definiert. Die männliche* cis-hetero-Perspektive mit einem endogeschlechtlichen Körper (Körper, die sich nach der Geburt medizinisch eindeutig männlich*/weiblich* zuweisen lassen) dient als Norm in unserer patriarchalen Gesellschaft.
Diese Abwertung von Weiblichkeit* lässt sich mit vielen alltägliche Beispielen belegen. So können Frauen* Hosen tragen. Wenn Männer* hingegen Röcke anziehen möchten, werden sie in der Regel durch verbale Äußerungen oder Blicke/Gesten abgewertet. Ihnen wird Homosexualität unterstellt oder sie werden als trans* Frauen behandelt.
Zwar werden in der LGBTQIA+ Gemeinschaft Geschlechterstereotype aufgelöst, jedoch bleibt die gesamtgesellschaftliche Abwertung weiblich* kodierter Verhaltensweisen und Attribute vor allem bei Männern* bestehen. Feminine* Schwule und maskuline* Lesben werden häufiger bedroht und Letztere werden in ihrer Sexualität nicht ernst genommen. Inter* und trans* Personen wird abgesprochen ein „richtiger Mann“ oder eine „richtige Frau“ zu sein, was aus einer biologischen Vorstellung von Geschlecht resultiert. Das Geschlecht besteht aber aus mehr als nur den biologischen Merkmalen. Nicht-binären und inter* Menschen war es bis zum 22.12.2018 nicht möglich, durch eine Bezeichnung im Geburtenregister aufgeführt zu werden. Viele Menschen fühlen sich nicht völlig repräsentiert mit der Kategorie Divers. Eine weitere Schranke, die aufgrund der Binarität entstanden ist. Menschen, die sich nicht in männlich* oder weiblich* einteilen lassen, werden strukturell unsichtbar gemacht. Sexismus ist also ein Grund von mehreren, der zu Homo-, Bi-, Inter*- und Trans* feindlichkeit führen kann.
Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt auf, dass Menschen, die mehr über Homosexualität wissen, homosexuellen Personen gegenüber positiver eingestellt sind und eher unterstützendes Verhalten zeigen und umgekehrt. Ebenso gehen diese Personen davon aus, dass homosexuelle Menschen von Diskriminierung betroffen sind. Persönlicher Kontakt und Wissen sind also essentielle Voraussetzungen, die wichtig für eine wachsende Akzeptanz sind.

Heteronormativität

Oben wurde immer wieder von hetero-cis Männern* geschrieben, nun soll Ersteres genauer erklärt werden, um ein besseres Verständnis der sozialen Mechanismen der Gesellschaft zu erlangen.

 

„Das Konzept der Heteronormativität kritisiert die gesellschaftlich postulierte Zweigeschlechterordnung und die Macht bzw. Gewalt, die von ihr gegenüber anderen Geschlechtsidentitäten ausgeht. In dem Begriff enthalten ist auch eine Kritik an der Privilegierung von Heterosexualität als unhinterfragter Norm.“

Sauer 2018, Heteronormativität

Die Heteronormativität stellt das gegengeschlechtliche Begehren als „natürliche“ Ordnung dar und lehnt jede andere Form der Sexualität ab. Dabei wird prinzipiell Menschen die Heterosexualität unterstellt, bis sie sich als nicht-heterosexuell outen. Dieses Coming-out ist häufig verbunden mit Angst vor sozialen Sanktionen und Ablehnung, weil die Erwartungshaltungen nicht erfüllt werden. Bei der Heteronormativität werden die traditionellen Geschlechterrollen zementiert. Das heißt, dass es klare Vorstellungen gibt, was eine Frau* und ein Mann* ist und sein darf. Für die queere Community ist die heteronormative Gesellschaft höchst problematisch, da Marginalisierung und Diskriminierung damit verbunden sind.

Cisnormativität

Wenn bei Menschen das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht (Sex) mit der Geschlechtsidentität (gender) übereinstimmt, kann diese Person als Cis bezeichnet werden. Zum Beispiel beschreibt sich eine Person als männlich* und in ihrem Geburtsregister steht die Zuschreibung „männlich“. Körpermerkmale und Geschlechtsbewusstsein stimmen überein, somit ist cis das Gegenteil zu trans*. Kritisch hinterfragt wird die Bezeichnung dahingehend, dass sie sich stark an der binären Geschlechterkonstruktion orientiert.
Bei der Cisnormativität wird die Cisgeschlechtlichkeit als Norm betrachtet, trans* und inter* Personen gelten somit als Abweichungen. Diese Darstellung als ‘unnormal’ führt zu Diskriminierung und Ausgrenzung. Die cisnormativen Anschauungen basieren auf den Fehlannahmen, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Das Geschlecht ausschließlich anhand der Genitalien bestimmt werden kann und das Geschlechtsbewusstsein immer mit den je eigenen Genitalien, die nach der Geburt zugewiesen werden zu männlich* oder weiblich*, übereinstimmt. Nach diesen Annahmen sind alle Menschen cis.
Die Cisnormativität missachtet aber die Tatsache, dass nur die Person selbst Auskunft über das eigene Geschlecht geben kann. Die strukturelle Unterdrückung durch Institutionen sowie auf gesellschaftlicher, rechtlicher und kultureller Ebene gegenüber trans*, nicht-binären und inter* geschlechtlichen Menschen wird durch Cissexismus beschrieben. Homo-, Bi-, Inter*- und Trans* feindlichkeit hingegen basiert eher auf Anfeindungen und Unterdrückungen auf einer individuellen, also persönlichen Ebene durch Gruppen und Einzelpersonen.
Jetzt fragst du dich vielleicht, wie du helfen kannst, Sichtbarkeit und Toleranz zu schaffen. Der erste Schritt ist, auf Personen zuzugehen und miteinander in den Austausch zu kommen.

Wie soll ich non-binäre Personen ansprechen?

Da es ein sehr privates und individuelles Thema ist, gibt es keine eindeutige Antwort, wie du non-binäre Personen ansprechen kannst. Was wir dir jedoch an die Hand geben können, sind zwei Richtungen, die wir anhand unserer Recherchen herausgefunden haben:
Zum einen kannst du, wenn du dir unsicher bist, welche Pronomen du am besten verwenden solltest, einfach nachfragen wie dein Gegenüber angesprochen werden möchte. Wichtig ist, dass du die Antwort akzeptierst. Viele Menschen gehen offen mit ihren Pronomen um und teilen sie dir gerne mit. Am besten stellst du dich auch einfach erst einmal selbst vor und nennst deine Pronomen. Also zum Beispiel: Hallo, ich heiße Sarah und verwende sie/ihr Pronomen. Oder: Mein Name ist Jan und ich werde gerne mit er oder ihm angesprochen.
Damit kannst du direkt zeigen, dass dir das Thema wichtig ist und nicht die Verantwortung für Erklärungen an dein Gegenüber abgibst.
Zum anderen ist es wichtig, dass du dir im Klaren bist, dass das Geschlecht ein privates Thema ist. Nicht jede Person möchte darüber sprechen. Lernst du dein Gegenüber gerade erst kennen, solltest du auf einen sensiblen Umgang achten. In jeder Art der zwischenmenschlichen Kommunikation ist das das A und O. Wenn eine Person nicht über ihre Pronomen reden möchte, kannst du einfach den Namen verwenden.

Geschickt (ent)gendern

Bei einer gendergerechten Sprache wird versucht, das generische Maskulinum (Arzt, Fahrer oder Student) zu umgehen. Frauen und Menschen, die sich nicht in das binäre Geschlechtersystem einordnen sind dabei immer „mitgemeint“. Das äußert sich aber in diversen Benachteiligungen. Bei nicht gegenderten Berufen ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Berufswahl geschlechtsspezifisch ausfällt. Bei Automechaniker:in fühlen sich mehr Frauen angesprochen als bei Automechaniker. Korrekt heißt es eigentlich entgendern, da die Sprache ja nicht geschlechtsspezifisch sein soll. Umgangssprachlich sprechen wir aber heutzutage vom „gendern”.
Es gibt im Deutschen viele Wege, das Geschlecht in die Sprache nicht mit einzubeziehen. Unter geschicktgendern.de gibt es viele Ideen, wie du dich neutral ausdrücken kannst. Unsicher zu sein ist völlig okay, wir sind alle Menschen und machen genauso Fehler, aber wir lernen auch dazu. Wenn du misgenderst, also eine Person dem falschen Geschlecht zuordnest oder das falsche Pronomen verwendest, entschuldige dich einfach kurz oder korrigiere deine Aussage. Wenn du auf einen Fehler aufmerksam gemacht wirst, gilt das selbe.
Wenn du eine E-Mail gendersensibel schreiben möchtest, gibt es viele Möglichkeiten. Beliebt ist das klassische „Hallo [Name]“ oder „Guten Tag, [Name]“, damit vermeidest du einen direkten Rückschluss auf das Geschlecht von Personen.
Was du vermeiden solltest, ist zum einen Ansprachen, Pronomen oder Namen bewusst nicht zu verwenden. Auch die Community als „Trend“ oder „Special Snowflakes“ zu bezeichnen gilt als No -Go. Mit dem Begriff werden abfällig „übersensible“ Personen beschrieben, die sich für Dinge einsetzen wie: Trigger Warnungen oder Safe Spaces.
Schlussendlich ist zu sagen, dass die meisten Menschen noch nicht daran gewöhnt sind, neue Pronomen zu benutzen oder die neutrale Ausdrucksweise zu verwenden. Wir alle sollten miteinander in den Lernprozess starten und rücksichtsvoll miteinander sein. Niemand ist perfekt. Aber so lange wir offen bleiben und respektvoll miteinander umgehen, können wir gemeinsam wachsen und allen die Chance auf ein gleichberechtigtes Leben geben.

Quellen:
Küpper, Beate; Klocke, Ulrich; Hoffmann, Lena-Carlotta (2017): Einstellungen gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in Deutschland. Ergebnisse einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage. Hg. v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Baden-Baden: Nomos.
Sauer, Arn (2018): LSBTIQ-Lexikon. Grundständig überarbeitete Lizenzausgabe des Glossars des Netzwerkes Trans*Inter*Sektionalität. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn.
www.gq-magazin.de/lifestyle/artikel/internationaler-tag-gegen-homo-bi-inter-und-transphobie-warum-er-am-17-mai-gefeiert-wird
may17.org/tag/germany/
www.blsj.de/internationaler-tag-gegen-homophobie/
www.100mensch.de/lexikon-neu/#g
www.queer-lexikon.net/2020/01/07/kummerkastenantwort-262-wie-spreche-ich-nichtbinaere-menschen-an/
www.regenbogenportal.de/informationen/wie-sexismus-misogynie-und-lsbtiq-feindlichkeit-zusammenhaengen
www.arolsen-archives.org/ueber-uns/standpunkte/die-ns-verfolgung-queerer-menschen/
www.br.de/puls/ansprache-nonbinary-people-100.html#:~:text=Da%20die%20Pronomen%20%22sie%22%20und,eckigen%20Klammern%20hinter%20ihren%20Namen.
www.growthinktank.org/de/die-rechte-homosexueller-weltweit-wo-stehen-wir/
www.alumniportal-deutschland.org/deutschland/land-leute/gendern/

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