Über Sichtbarkeit sollten wir sprechen. In so vielen Bereichen des gesellschaftlichen Miteinanders muss mehr Licht ins Dunkel gebracht werden. Es ist ein großer Unterschied, ob wir zum Schweigen gebracht werden oder ob wir uns das selbst aussuchen. Manchmal müssen wir still sein, damit andere ihr Schweigen brechen können. Der Tag der Stille oder Day of Silence am 22. April will sichtbar machen. Dieser Aktionstag soll auf die verbale sowie physische Diskriminierung und Mobbing von LGBTQIA+ Schüler:innen aufmerksam machen. Denn acht von zehn Jugendlichen erleben Diskriminierung aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit oder sexuellen Identitäten. In der Schule, die eigentlich ein Auffangort sein sollte, erfahren sie am häufigsten Beschimpfungen und Beleidigungen, dicht gefolgt von der Überbetonung der Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung. Erschreckende Zahlen. Gerade der Schulkontext sollte es besser machen. Muss es besser machen. Schule sollte auch ein Ort der Sicherheit sein, wo man so sein, sich entfalten und fühlen kann, wie man ist.
Die Entstehung
1996 wurde der Tag von Maria Pulzetti und Jessie Gilliam in Amerika ins Leben gerufen. Maria verfasste im Rahmen ihres Studiums einen Artikel zu gewaltfreien Protesten. Mit dem Day of Silence initiierte sie einen Tag, der darauf aufmerksam machen sollte, wie Diskriminierung die Stimmen vieler junger Menschen verstummen lässt. Das GLSEN (Gay, Lesbian and Straight Education Network) unterstützte die Idee. Auf ihrer Webseite bieten sie auch heute noch viel Inspiration, was gegen Diskriminierung und für mehr Sichtbarkeit unternommen werden kann. In den USA formierte sich daraufhin schnell eine Gegenbewegung, die zum „Day of Truth“ aufrufte. Die konservative Gruppierung versuchte zum Boykott der Veranstaltung „Day of Silence“ aufzurufen, da sie gegen die Rechte von LGBTQIA+ Personen sind. Einige Jugendliche wurden bestraft für die Teilnahme an der gewaltfreien Protestaktion Tag des Schweigens.
Die Idee
Day of Silence bedeutet, einen Tag komplett zu schweigen, Raum geben, Solidarität zeigen und denen Gehör verschaffen, die zu einer marginalisierten Gruppe gehören. Am Ende des Tages finden diverse Aktionen statt, um das Schweigen gemeinsam zu brechen. Entweder finden diese an den Schulen selbst statt oder in den Räumen der Organisationen, die den Tag unterstützen. Häufig gibt es verschiedene Vorträge und Diskussionen, aber auch kleine Konzerte oder Lesungen, Poetry-Slams und Filmvorstellungen können als Ausklang dienen. Dabei sollen vor allem Maßnahmen für einen integrativen Umgang vorgestellt werden. Aber auch das Teilen von Geschichten und Erfahrungen von Betroffenen ist ein wichtiger Bestandteil. Der Austausch hilft anderen Menschen, sich selbst und andere Existenzen und Lebensweisen zu akzeptieren.
Tipps für die Umsetzung eines Silence Day an deiner Schule/Universität:
Wenn du selbst an einer Institution deiner Wahl oder ganz für dich im privaten den Tag der Stille durchführen möchtest, haben wir hier einige Dinge aufgelistet, die dich dabei unterstützen können oder worauf du achten solltest:
- Registriere dich!
So kann die Organisation GLSEN sehen, wie viele Menschen teilgenommen haben. Das ist vor allem wichtig, um politisch Sichtbarkeit zu schaffen. - Kommunikation als A und O
Bitte um ein Treffen mit der Schulleitung oder einer anderen Verwaltungsperson, um sie über deine Pläne zu informieren. Beantworte gegebenenfalls, wie viele Menschen teilnehmen werden an deiner Institution. - Planung
Veranstalte vor dem Day of Silence ein Meeting, in dem ihr – also du und die anderen Teilnehmer:innen – über den Tag redet und euch organisieren könnt. So habt ihr die Möglichkeit einen Überblick zu entwickeln und wisst, wie viele an der Veranstaltung teilnehmen wollen. - Mach es bekannt!
Nach Absprache mit den Schulen oder Universitäten könnt ihr Poster aufhängen oder Flyer verteilen, um auf das Thema aufmerksam zu machen. - Rahmenbedingungen
Spreche dich mit deinen Lehrer:innen oder betreuenden Person ab. Du hast das Recht, während der unterrichtsfreien Zeit in der Schule zu schweigen, aber nicht während der Unterrichtszeit, wenn ein:e Lehrer:in dich auffordert, im Rahmen der Unterrichtsteilnahme zu sprechen. Um Konflikte zu vermeiden, solltest du vor dem Tag der Stille mit deinen Lehrer:innen reden und fragen, ob es eine Möglichkeit gibt, am Unterricht teilzunehmen und trotzdem zu schweigen. - Plan B
Hab einen Plan für den Fall, dass du zurückgewiesen wirst. Es kann durchaus sein, dass man dir nicht gestattet, während des Unterrichts zu schweigen. Versuche daher einen Kompromiss zu finden. Eventuell kannst du ja in ausgewählten Schulstunden schweigen. Oder du praktizierst den Tag des Schweigens im Digitalen Raum. - Alternativen nutzen
Du kannst Sprechkarten verteilen. Diese kannst du in den Tagen vorher ausdrucken, um Fragenden den Grund für deine Stille zu erklären und auf Diskriminierung und Mobbing aufmerksam zu machen. Falls du Zuhause keinen Drucker hast und dein Handy im Unterricht/in der Universität benutzen darfst, kannst du die Sprechkarte mit den Informationen auch als Hintergrund deines Handys speichern. - Das Schweigen brechen
Breche das Schweigen mit anderen zusammen. Plane eine Zeit und einen Ort, an dem sich die Teilnehmenden am Ende des Day of Silence versammeln können, z. B. im Klassenzimmer oder an einem Ort im Freien. Hier werden die Teilnehmenden zum ersten Mal an diesem Tag sprechen und ihre Erfahrungen reflektieren. - Achte auf dich
Beteilige dich am Day of Silence nur so weit, wie du dich damit wohl fühlst! Einige werden den ganzen Tag schweigen, andere werden das nur über Social Media machen. Wieder andere besuchen die Veranstaltungen abends, wenn das Schweigen gebrochen wird. Das Ziel dieses Tages ist es, Bewusstsein und Sichtbarkeit zu schaffen.
Wie breche ich das Schweigen?
Wenn du die Veranstaltungen am Tag der Stille selbst organisieren möchtest, haben wir hier einige Ideen zusammengestellt, wie du das umsetzen kannst:
- Erstelle einen Zeitplan, in den du einträgst, wer spricht, wer auftritt, wer gleichzeitig mit wem das Schweigen brechen möchte, um Übersichtlichkeit zu schaffen.
- Lade einen Gastredenden für einen Vortrag ein, für ermutigende Worte und Geschichten oder um Fragen zu beantworten.
- Veranstalte eine Diskussionsgruppe zu Break the Silence. Hör dir die Geschichten anderer an und finde heraus, wie LGBTQIA+ Personen Diskriminierung erfahren haben.
- Fragen in der Diskussion könnten sein:
> Warum war es für dich wichtig, aktiv zu werden und am Tag des Schweigens teilzunehmen?
> Wie erleben LGBTQIA+ Schüler:innen an dieser Schule/Universität Diskriminierung und Mobbing?
> Gibt es Dinge an dieser Schule/Universität, die dich verunsichern?
> Was ist deine Vision für ein emanzipiertes Schulumfeld? Wie sieht das aus? Wer ist mit dir dort? Wie fühlst du dich?
> Was ist an dieser Vision anders als an der derzeitigen Realität?
In Deutschland ist der Day of Silence noch nicht sehr präsent. Wir hoffen, dass dieser stille Protest sich weiter etabliert, damit Schulen ein diskriminierungsfreier Raum werden. Falls du zu diesem Thema eigene Ideen oder Anregungen hast, schreib uns gern ein Kommentar!
Quellen:
www.dji.de/themen/jugend/queere-jugendliche-erleben-diskriminierung.html
www.queer-lexikon.net/2019/11/09/day-of-silence/
www.glsen.org/day-of-silence
www.achievementfirst.org/day-of-silence/
www.outhistory.org/exhibits/show/queer-youth-campus-media/national-events/national-day-of-silence
Bild:
https://www.pexels.com/de-de/foto/frauen-mit-gay-pride-korperbemalung-4557461/